September 2014. Meine Chefs haben eine Weile über Fahrplänen und Landkarten gebrütet. Wir starten am Morgen in Biel/Bienne und parken nach einigen Suchrunden in bequemer Laufweite zum Bahnhof Mett. Die SBB bringt uns im Nu nach Grenchen-Süd, von dort geht's per Taxi zum
Untergrenchenberg (dafür gibt es Festpreise - vor Fahrtantritt nachfragen!). Das Postauto
(Linie 38) fährt leider nur mittwochs und am Wochenende, und diesen Mittwoch haben meine Chefs bereits etwas ganz Besonderes vor.
Hier sind wir letztes Jahr im Nebel gestrandet. Heute wollen wir ins Tal, auch wenn von Westen her schon wieder Regenwolken heranziehen. Der Weg führt als Erstes mal quer über die Weide bergab.
Damit die Gämsen nicht stolpern, räume ich im Wald das Gröbste aus dem Weg.
Die Schweizer machen das stellenweise auch sehr akkurat. Da staune ich!
Zum Stierenberg (Dienstags geschlossen) geht es weiter bergab, dann wieder etwas aufwärts auf Waldpfaden ins Kanton Bern. Ab hier pendeln wir ständig zwischen dem französischen Sprachgebiet im Norden und der deutschsprachigen Schweiz im Süden.
Der Waldboden riecht allerdings überall gleich köstlich. Wo ist jetzt der Bär?
In diesem Bereich endet vorerst der Wald. Über herrliche Bergwiesen traben wir gen Westen.
Das kleine Gasthaus in
Montagne de Romont hat offen, und der Chef plädiert für eine Pause. Meine Chefin blickt skeptisch zum Himmel und drängt zum Weiterlaufen. Irgendwie hat sie heute einen guten Draht zum Wettergott, denn wir werden zwar immer wieder nass, laufen dabei aber meist am Wolkenrand im Sonnenschein - der meiste Regen fällt hinter uns.
Immer wieder versperren Kuhgatter den Weg. Mit Rucksack passen meine Menschen nur ganz knapp durch die Umgehungen, und als Hund muss man vor Stacheldraht auf der Hut sein. Aber die Übergänge sind mitunter gezielt vermint. Wahrscheinlich zum Schutz der niedlichen Kälbchen hier oben.
Wer nicht die verkehrsarmen Fahrwege durch die Chalets wählt, folgt dem Jura-Höhenweg auf einem deftigen Abstieg durch den Wald. Am Waldrand vor
Plagne stoßen wir auf einen willkommenen Rast- und Spielplatz. Endlich Pause!
Von Plagne aus fährt ein Postauto ins Tal (Empfehlung aus dem Wanderführer). Wir queren am Dorfende die Weiden und folgen dem offiziellen Verlauf des Jura-Höhenwegs. Jedenfalls würden wir das gern, wenn die Kühe keine Sitzblockade machen würden. Sind das wieder diese gefährlichen Mutterkühe, die auf Wanderer mit Hund losgehen?
Wir schlagen einen Bogen um die Herde, und meine Chefin nimmt sicherheitshalber einen Stock mit, worauf prompt eine Kuh hinter uns herstapft. Hinterher soll ich den Stock tragen und mich als Hütehund nützlich machen, aber das Ding ist total morsch und gleich zerlegt.
Meine Chefs erfreuen sich an den Silberdisteln, dem Johanniskraut und den zarten weiß-lila "Krokussen" auf den Almen dieser Gegend.
Krokusse im September? Meine Chefin ist skeptisch, tippt auf
Herbstzeitlosen und fragt sich, ob die für Kühe denn nicht giftig sind. Das wird zu Hause nachgeschaut, in
Informationen des Landwirtschaftsministeriums: Die Herbstzeitlose ist tatsächlich auch für Kühe so giftig, dass sie diese Pflanzen nach dem ersten Kontakt sogar noch im Heu verschmähen. Deshalb treibt man nur "weideerfahrene" Rinder auf derart verseuchte Wiesen. Ziegen und Schafe können Herbstzeitlosen fressen; allerdings geht das Gift bei ihnen in die Milch über. Schäferblogs sagen, dass die Schafe ebenfalls einen Bogen um die Blümlein machen. Hübsch sind sie trotzdem, und wir haben sie klugerweise nicht angerührt.
Durch Laubwald geht es noch einmal auf nicht ganz einfachen Wegen rasant bergab. Kurz vor Frinvillier halten wir uns etwas zu lange mit dieser hübschen Blindschleiche auf.
Prompt erwischt uns daraufhin ein kräftiger Regenguss mit lautem Donnerschlag, so dass wir ganz zufrieden sind, dass wir Minuten später unter der Hochstraße Schutz finden. Zum Glück verzieht sich das Gewitter rasch wieder. Von dort oben sind wir heute gekommen.
Unsere heutige Etappe ist jedoch noch nicht zu Ende.
Wir weichen vom Jurahöhenweg ab, weil wir durch die Taubenlochschlucht nach Biel absteigen wollen.
Etwas verdutzt stellen wir fest, dass der Weg tatsächlich oben am Kanalmäuerchen entlang geht.
So queren wir die Suze (die auf Deutsch "Schüss" heißt).
Die Taubenlochschlucht ist manchmal geschlossen, denn das Wasser dient der Elektrizitätsgewinnung und wird je nach Wetterlage auch mal schwallartig abgelassen.
Heute stehen Krankenwagen und andere Rettungsautos am Zugang zur Schlucht. Gab es bei dem kurzen Gewitter einen Unfall? Dürfen wir überhaupt passieren? Erleichtert stellen wir fest, dass nur lauter gut gelaunte, entspannte Helfer eine Übung machen.
Die Schlucht ist wirklich eindrucksvoll und sicher die schönste Wegvariante, um nach Biel hinunter zu gelangen. Schon nach kurzer Zeit übertönt das Brausen des Wassers den Lärm des Straßen- und Bahnverkehrs, der hoch über uns verläuft.
Hier wurde ich freundlicherweise getragen, denn solche Gitter mögen meine Pfoten gar nicht. Ein größerer Hund käme aber sicher auch am Rand entlang.
Ein herrlicher Wasserfall von der Seite her (der bringt unseren Regenguss von vorhin).
Am Ende der Taubenlochschlucht steht man direkt am Rand von
Biel, wo wir beeindruckt die Firmensitze von Rolex und Swatch erspähen.
Wir folgen der Suze zum Auto zurück. Hier kann ein Hund bequem trinken, und wer mag, läuft weitgehend entspannt am Fluss entlang in Richtung Bieler See. Uns hat dieses erholsame Stückchen mit Kinderspielplätzen und Parkbänken nach dem langen Wandertag sehr gefallen. Später wartet am Oberen und Unteren Quai mehr städtisches Ambiente mit Gaststätten und Geschäften.
Abends gewittert es noch einmal. Unterm Bett stört mich das nicht. Ich mache meinen Chefs bestimmt nicht den Platz auf dem Bett streitig. Eher rücke ich ein bisschen zur Seite, falls sie sich zu mir kuscheln wollen. Ist doch genug Platz für alle!
Morgen wartet angeblich eine Überraschung, aber heute bin ich hundemüde.